Neulich beim Rollenspiel

Wissenschaftliches Tagebuch von Aiden Cottlestone, Voltadi, 14. Secundus 1668

Ich blieb in den letzten Tagen eine ausführliche Schilderung der Tagesverläufe schuldig, dies ist als Resultat der weiterhin außergewöhnlichen Entwicklung zu verstehen, welche diese Forschungsreise zu nehmen scheint. Meine letzte Schilderung endete am vergangenen Amordi, wo wir uns in einem Wäldchen niedergelassen hatten.

Nachdem uns Monsieur Pétard von den Ereignissen in Crieux berichtet hatte, die zu seiner Verhaftung führten, wurde uns klar, dass wir keinen Geringeren als den Admiral der Stadt, einen Herrn namens Gaetan Roland de Pelletiers zum Feind haben mussten. Er scheint hinter dem Diebstahl des Kästchens und der Enttarnung des Schmugglerrings zu stecken. In Anbetracht der Tatsache, dass wir – eigentlich – nicht in die Stadt zurückkehren konnten, machten wir uns zu der Bucht auf, wo die Medikamente an den Blockadebrecher übergeben werden sollten. Den immer noch stark blutenden Grégoire mussten wir mittels der geliehenen Kutsche transportieren, welche Gregor und ich unter Einsatz unseres Lebens aus Crieux herschafften. Zugegeben, gelenkt hat sie Grégoires Diener, aber schließlich mussten wir uns erneut durch die Kanalisation und an montaignischen Marinesoldaten vorbei quälen. Aber genug davon!

An der Bucht gab Monsieur Pétard dem Schiff, dass sich gegen Abend näherte, eine Vielzahl von Zeichen – es drehte aber dennoch nicht bei, sondern entsandte Beiboote ans Ufer. Die Kapitänin, Isabelle ihr Name, bestand darauf, trotz aller Hindernisse die Medikamente aus der Stadt zu schmuggeln. Was blieb uns anderes übrig, als ihr zu helfen? Schließlich war das Schiff unsere Fluchtmöglichkeit und die Kapitänin selbst die Besitzerin des zweiten Kästchens, welches ich unbedingt sehen wollte. Tatsächlich gelang uns der Transport und so kamen wir alle in die Gunst eines späten, aber reichlichen Abendessens an Bord des Schiffes.

Im Anschluss zeigte Isabelle mir nun das mysteriöse Artefakt: Ein Kästchen, fast unscheinbar gearbeitet, aber aus edlem Holze und einem Metall gefertigt, dass ich noch niemals zuvor gesehen hatte. Im Anhang dieses Buches findet sich meine Skizze des Kleinods. Leider war es mir trotz intensiven Versuchens nicht möglich, den Mechanismus zu entschlüsseln, der den geradezu magischen Transport von Nachrichten ermöglicht.

Ein wichtiger Grund meines Misserfolges bestand in beträchtlichen Störungen: Zunächst wurden Gregor und ich von einem Wolf, der plötzlich im Kabinengang stand, attackiert. Erst später fanden wir heraus, dass das arme Tier von einem ruchlosen Porté-Magier in den Frachtraum geschickt worden und von dort den Essensgerüchen gefolgt war. Durch den Transport im „Nichtraum“ war aus dem von Natur aus scheuen Wolfe eine mörderische Bestie geworden, die aber von Gregor niedergestreckt wurde, ehe sie das Kästchen beschädigen konnte.

Zu allem Überfluss stellten wir am nächsten Morgen fest, dass wir vom Flagschiff des Admirals, der Formidable, verfolgt wurden. Lediglich günstige Winde und der Verzicht auf Kanonen und Munition ermöglichte uns die Flucht. Mir war bei der ganzen Sache nicht wohl und ich wäre lieber mit dem Kästchen gen Avalon geflohen, aber ich war der Einzige an Bord, der daran dachte und konnte mich folgerichtig nicht durchsetzen. Wir flohen also weiter südwestwärts und hielten uns auch dann auf diesem Kurs, als die Formidable endlich vom Horizont verschwunden war. Den Propheten sei Dank, das hätte übel für uns enden können.

Am Morgen des heutigen Tages setzten uns Kapitän Isabelle und ihre Mannschaft an einer nebligen und feuchten Küste nördlich von Entour ab. Ich bin noch nie in diesen Breiten gewesen, aber wie Grégoire ebenso schnell wie missmutig zugab, waren wir auf dem ehemaligen Grund und Boden seiner Familie gelandet – Valmont-Montparnasse. In dem verfallenen Herrenhaus seiner in die neue Welt geflohenen Familie haben wir uns ein Lager eingerichtet und planen nun, auf dem Landweg zurück nach Charousse zu gelangen. Gregor sagt, wir sollten am morgigen Feiertag Pferde stehlen und Montaigner töten – ich bin allerdings dagegen. Wer weiß, ob die Sidhe nicht auch in diesem Winkel der Welt verbreitet sind, dass könnte für uns alle übel enden! Ich werde wohl einen Sol im Grase liegen lassen und hoffen, dass es das Schicksal gut mit uns meint.

Übrigens hat sich ein Castilier unserer Reisegesellschaft angeschlossen, ein Schwertmeister, wie mir scheint. Er redet wenig und wirkt recht finster, soweit ich es einschätzen kann. Aber auch sein Weg führt nach Charousse und wenn ich ehrlich bin, ist mir ein Degen mehr an unserer Seite nur lieb. Wir werden sehen, was der Tag bringt – wenn nur der Regen endlich enden würde…


Sprüche und Übersicht unserer Rollenspiel-Runden
Homepage Stefan Bohnsack, 2008