Neulich beim Rollenspiel

Wissenschaftliches Tagebuch von Aiden Cottlestone, Soldi, 17. Secundus 1668

Vor zwei Tagen war der Regen noch meine größte Sorge. Schön zu lesen, doch die Situation hat sich geändert.

Nachdem Gregor es eilig hatte, den Montaignern ihren rechtmäßigen Besitz abzunehmen und als axtschwingender Racheengel über die "Ursupatoren" zu kommen, marschierten wir noch am Voltadi los, um uns Pferde für den Ritt nach Charouse zu "besorgen". Außer mir war jedem meiner Mitreisenden klar, dass wir die Tiere stehlen würden. Diskutiert wurde lediglich, ob wir sie dem Marquis de Villeroy rauben sollten (Grégoire war dafür, da der Marquis ihn hasst und überall per Aushang suchen lässt) oder besser von der – scheinbar allmächtigen – Postkutschengesellschaft nehmen würden (Gregor zog dies vor, denn so konnte er direkt dem Empereur schaden). Da wir zuerst an eine Postkutschenstation kamen, völlig durchnässt und erschöpft waren und ich überdies wenig Lust verspürte, mich in den Streit der beiden einzumischen, setzte sich wie üblich Gregor durch und wir ritten den ganzen 15. über abseits der Wege Richtung Bastonne.

In diesem schönen Städtchen wimmelte es nur so vor Kavalleristen. Grégoire – der sicherheitshalber vor den Toren der Stadt blieb – berichtete uns, dass die besten berittenen Einheiten des ganzen Landes aus dieser Gegend kämen. Nun, Gregor war höchst erfreut über die hohe Armeedichte, denn mit Soldaten betrinkt er sich am Liebsten. Ich ersann den – geradezu verwerflichen – Plan, uns Plätze in der Postkutsche zu erkaufen und dieselbe von Grégoire und Planchet überfallen zu lassen. Für die beiden konnte es sowieso nicht schlimmer kommen und so wäre zumindest unser Ruf nicht gänzlich ruiniert gewesen. Um es vorweg zu nehmen: Der Plan hat so nicht funktioniert. Wie üblich.

Am Abend des 15. machte ich in einer Soldatenkneipe eine interessante Begegnung mit einem Vendel namens Pieter de Groot, der mir von einem unbekannten Expeditionstagebuch des großen eisenschen Entdeckers Mannhart Sperber berichtete, dessen Besitz er erlangt habe. Ich vermutete schnell, dass es sich bei de Groot um einen Dieb und Betrüger handeln könnte, allerdings kam ich nicht mehr dazu, ihn auszufragen, da er in derselben Nacht von einer unbekannten Frau erstochen wurde. Zeuge dieser Szene wurde wiederum Gregor, der – obwohl er sturzbetrunken hätte sein müssen – die Mörderin vertrieb, das Buch an sich nahm und mir übergab (zum Glück für die Wissenschaft kann er kein Eisen lesen, sonst hätte ich das Werk wohl nie zu Gesicht bekommen).

Sperber berichtet von einer Expedition zu syrnethischen Ruinen in den Lockhornwald. Obwohl er diese findet, endet sein Versuch im Desaster – er allein entkommt dem Wald. Ich will hier nicht zuviel berichten, aber ich plane, so bald als möglich nach Endlingen in Eisen aufzubrechen und über den Drachenkopf ebenfalls in den Lockhornwald abzusteigen. Seit dem vergeblichen Versuch sind schließlich sechzig Jahre vergangen und seitdem hat sich die Ausrüstung solcher Berg- und Waldexpeditionen doch beträchtlich weiterentwickelt. Welch ein Triumph für die Explorer’s Society wäre es doch, wenn ich diese Ruinen entdecken, kartographisieren und ihre Geheimnisse lüften könnte. Die Unterstützung meiner Begleiter sichere ich mir hingegen durch die – nicht unrealistische – Aussicht auf reiche Beute. Wenn ich nur die wichtigsten Artefakte für die Nachwelt retten kann, sollen sie die minderwertigen Stücke ruhig an dekadente Adlige verscherbeln (nachdem ich sie erfasst und beschrieben habe)!

Am nächsten Vormittag begann unsere Reise mit Verspätung. Kein Wunder, hatten wir doch keine zwei Nächte zuvor die Pferde eben dieser Kutsche gestohlen und zwischenzeitlich vor der Stadt wieder freigegeben. Den Tieren ist kein Leid geschehen! Anstatt die Kutsche auf dem Weg nach Vergogne zu überfallen entschloss sich Grégoire dazu, als mysteriöser Fremder zuzusteigen. Großartig, als ob nicht jede Wache in der ganzen Grafschaft sein Gesicht mit der Muttermilch aufgesogen hätte! So eine hohe Belohnung!

Jedenfalls geschah das Unvermeidliche: Die Kutsche wurde kurz vor Vergogne umstellt und Grégoire zum Austeigen aufgefordert. Da er dieser freundlichen Bitte nicht nachkam, sondern lieber gemeinsam mit Gregor die rechtschaffenen Männer niedermachte, was wiederum die Aufmerksamkeit zahlreicher Kavalleristen auf sich zog, blieb uns schließlich nichts anderes übrig, als mitsamt der Kutsche in vollem Galopp mitten in die Stadt zu fliehen. Es kam zu einem wilden Kampfe: Überall Musketen, Reiter, Degen, Blut und Tod! Gregor warf das Mobiliar und unsere Mitreisenden aus der Kutsche auf die Pferde der Soldaten während ich von einer Kugel in die Schulter getroffen wurde und halbtot zusammensank.

Schließlich wurde ich vom immer noch rasenden Ussurer aus dem tödlichen Gefährt gezogen, dass auf eine Brücke zuraste und sich danach krachend überschlug. Da sich Jesús durch sein castilisches Temperament der Aufmerksamkeit der Reiter sicher sein konnte, gelang es Gregor und mir, zu entkommen. Von einem mehr als zwielichtigem Kurpfuscher ließ ich mir die Musketenkugel entfernen und wir flohen ungesehen am Morgen des heutigen Soldi auf gestohlenen Pferden – wen kümmert das denn noch??? – aus Vergogne.

Ich denke in jeder Sekunde an den Lockhornwald, zwei Schlüssel sind zu finden bis zum Ziel! Ich muss meine Gefährten so schnell als möglich nach Endlingen bekommen, am besten wir lassen uns über den Großen Fluss treideln!


Sprüche und Übersicht unserer Rollenspiel-Runden
Homepage Stefan Bohnsack, 2008