Neulich beim Rollenspiel

Wissenschaftliches Tagebuch von Aiden Cottlestone, Voltadi, 22. Secundus 1668

Nun geschätztes Tagebuch, wer geglaubt hat, ich könnte endlich die Wiederbeschaffung des Kästchens vermelden, der sieht sich getäuscht. Wobei anzumerken ist, dass ich sofort nach der Niederschrift dieser Zeilen in die Entdeckergesellschaft aufbrechen und den Vortrag Farnsworths anhören werde. Zwischen gestern Abend und jetzt ist allerdings noch eine Menge geschehen, dass der Erinnerung wert ist.

So beschloss zunächst Jésus nach Erhalt der Information, dass unsere Gegenparts allesamt bei de Pélletier versammelt sind, ins Stadtpalais desselben einzudringen und das mysteriöse Kästchen auf eigene Faust dem rechtmäßigen Besitzer zurück zu geben. Nun, dieser Plan scheiterte, Jésus entkam mit knapper Not den Stichen und Hieben eines Vodacces, wahrscheinlich des bereits erwähnten Signore Massi. Zwar stieß er während seines missglückten Diebeszuges auf Unterlagen Dr. Farnsworths, hielt es aber nicht für notwendig, diese mitzubringen. Somit wissen wir natürlich weiterhin nichts über die genauen Pläne des Doktors und de Pelletiers.

Man möchte sich fragen, ob diese Schwertmeister noch irgendetwas anderes vermögen, außer mit dem Degen Fliegen zu massakrieren! Abgesehen vom Aufbewahrungsort des Kästchens sowie dem Inhalt des Vortrages hätten mir die Aufzeichnungen Farnsworths Details über seine weiteren -- ohne Frage gegen mich gerichteten -- Pläne geben und seine gemeinen Absichten enttarnen können. Aber nein, der Herrn Castillier läuft so ungern mit gestopftem Brustrevers herum...

Auf den Schock des Versagens unseres Begleiters und nach einigen nicht ganz einfachen medizinischen Operationen an seinem Körper ließen wir den gestrigen Abend auf der Suche nach Grégoire in dem Etablissement ausklingen, welches uns bereits bekannt war und zu dessen gerngesehenen Gästen Gregor als Kulturattaché Ussuras mittlerweile zu gehören scheint. Sei es drum. Grégoire jedenfalls fanden wir dort ebenso wenig wie bei den Musketieren, wohin wir uns am späten Abend nochmals wandten.

Am heutigen Morgen verkleideten wir uns auf Bitte des Comtes selbst als Musketiere und wurden mit verbundenen Augen und über geheime Wege ins Herzen Montaignes, das Château du Soleil, geleitet. Auf dem Weg trafen wir auch auf Grégoire, der vom unserer Sache verbundenen Capitain der Musketiere zu seiner eigenen Sicherheit festgesetzt worden war.

Im Château selbst hatten wir die außerordentliche Ehre, eine Audienz mit Princesse Anne genießen zu dürfen, in deren Verlauf unsere Aufgabe bekräftigt, aber zugleich zur Vorsicht gemahnt wird. Nach wie vor ist unklar, ob es sich bei de Pelletier um den Drahtzieher der Intrige um das Kästchen und die Nachschublieferungen nach Castille handelt oder ob noch wichtigere Persönlichkeiten in die Angelegenheit verwickelt sind.

Bevor wir aus dem Château verschwinden, wohnen wir noch einer dekadenten Szenerie der Hofschranzen bei, die sich gegenseitig den Speichel vom Arsche lecken, um vor dem Herrscher gut dazustehen. Widerliche und unsinnige Dekadenz, die zu nichts gut ist, außer Verwirrung zu schaffen. Immerhin können wir in diesem Rahmen de Molineux, de Pélletier und Massi beobachten -- was allerdings Farnsworth macht und wo er sich zu diesem Zeitpunkt befindet, bleibt weiter unklar. Auf dem Rückweg durch die Unterwelt hatten wir übrigens noch die exzellente Idee, erneut bei de Pélletier einzusteigen (wen stört schon der helllichte Tag) und in Abwesenheit der Hausherren das Kästchen zu beschaffen. Da unser Konterpart nicht gänzlich auf den Kopf gefallen ist, scheiterte dieser Plan an der praktischen Umsetzung. Es ist weder nötig noch sinnvoll, an dieser Stelle auf Details einzugehen.

Vor dem entscheidenden Moment in der Entdeckergesellschaft ist übrigens noch völlig unklar, ob das Kästchen (von dem gar nicht sicher ist, ob es sich in Charouse befindet) Farnsworth noch vor dem Gebäude der Gesellschaft entrissen werden, ob der Vortrag genutzt werden oder im Anschluss an Farnsworths Explikationen etwas geschehen soll. Ich sehe meine Reputation in wissenschaftlichen Kreisen bereits auf einen neuen Tiefststand sinken und bete, dass alles friedlich vor sich geht. Wie ich die ganze Geschichte dem Baron von Surluse erklären soll, weiß ich -- abgesehen von allem anderen -- erst recht noch nicht. In diesem Sinne geht es nun auf zu Neuen Ufern!


Sprüche und Übersicht unserer Rollenspiel-Runden
Homepage Stefan Bohnsack, 2008