Neulich beim Rollenspiel

Wissenschaftliches Tagebuch von Aiden Cottlestone, Terdi, 26. Secundus 1668

Was für eine dreiste Spekulation! Welch unqualifizierte Hypothesen! Wie borniert muss man sein, um solche Behauptungen in die Welt zu setzen? Ein durch und durch langweiliger und plumper Vortrag war es, den Farnsworth in der Entdeckergesellschaft zu Charousse gehalten hat. Ärgerlich war nur, dass mit meiner Ausnahme sämtliche anwesende Nachwuchsforscher ebenso wie die überalterten, weltfremden Gesellschaftsoberen begeistert von diesen billigen, auf Effekthascherei setzenden Explikationen waren.

Bücherwissen! Wie theoretisch und wie unwichtig im Vergleich zu tatsächlich existierenden Artefakten! Aber damit kann Farnsworth natürlich nicht aufwarten – was übrigens gleichzeitig unsere wohlüberlegten Pläne zur Rückeroberung des Kästchens zur Gänze umwarf! Wir waren auf de Pélletiers Finte hereingefallen und hatten ihm durch unser Erscheinen in der Explorers Society den Vorsprung gegeben, den er haben wollte!

An seiner und de Molineuxs statt hatten sich zwei verkleidete Gecken nach Beginn des Vortrages ins Auditorium geschmuggelt. Da ich de Pélletier noch nie zuvor gesehen hatte, konnte ich dies nicht erahnen – und war überdies mit dem argumentativen Aushebeln der impertinenten farnsworthschen Thesen beschäftigt! Im Nachhinein fanden wir heraus, dass sich de Pélletier mit seinen Spießgesellen gen Crieux aufgemacht hatte, wie ich vermutete, um unschuldige Opfer zu hängen, die an unserer Stelle für den Brand in der Admiralität büßen sollten.

Es galt also: Auf nach Crieux, de Pélletier sollte seine gerechte Strafe erhalten!

Nach eiligem Gewaltritt kamen wir gestern, am Amordi den 25. in der Küstenstadt an. Leider tappten wir bezüglich unseres konkreten Planes im Dunkeln: Wie es schien, war uns de Pélletier immer einen Schritt voraus. Egal, was wir unternahmen, er schien unsere Schritte zu ahnen! In dieser üblen Lage kam uns der Zufall in Person des fetten Planchets zu Hilfe: Dieser hatte beim Einkauf erfahren, dass Cosette, der personifizierte blonde Racheengel aller jemals von Grégoire belästigten Jungfern, in der Stadt sei (der Admiral hatte sich bereits auf seinen Landsitz begeben – in der Nacht des 22.!!! Dabei war er am selben Tage zur Admiralitätsbesprechung in Charousse!!!)) und sich seit Tagen mit einigen Soldaten in einem unscheinbaren Haus in der Nähe des Hafens aufhalte. Wir beschlossen, ihr einen Besuch abzustatten und dann endlich die Informationen aus ihrem Schmollmund herauszupressen, die uns dem Geheimnis des Admirals näher brächten!

Vom – selbst für mich mittlerweile üblichen – Kampfgeschehen will ich hier nicht breit berichten. Es ist doch immer die gleiche Brutalität, mit der eigentlich vernunftbegabte Wesen übereinander herfallen und an dessen Ende es doch stets auf allen Seiten Opfer zu beklagen gibt. In diesem Falle zwangen wir durch überlegene Geschicklichkeit im Umgang mit Degen und Pistole Cosette zur Flucht in den Keller des Gebäudes. Dort stießen wir auf die wahre Überraschung: Einen mysteriösen Vorhang oder vielmehr ein schimmerndes Portal, erschaffen mithilfe fortgeschrittenster Porté-Magie, dass das Haus in Crieux mit dem Stadtpalais de Pélletiers verbindet. Deshalb war uns der Admiral stets voraus!

Zwar folgten wir Cosette in dunklen Gassen der montaignischen Hauptstadt, dort aber verloren wir ihre Spur – wahrscheinlich ist sie bereits wieder auf dem schnellsten Weg zu ihrem Dienstherrn nach Crieux.

Wir kehrten in der Nacht ins Stadtpalais des Admirals zurück, um uns – jegliche Gefahr verlachend – endlich wieder einmal in die weichen Betten de Pélletiers Schlafen zu legen. Wir schliefen bis in den Mittag, doch nach dem Aufstehen erlebten wir die nächste üble Überraschung: Grégoire konnte bei einem erneuten „Besuch“ in Crieux erfahren, dass der dicke Planchet von Häschern des Admirals bei der Suche nach uns gefangen genommen wurde und nun verhört werden soll. Das sollen sie wagen, sie werden schnell genug die Bekanntschaft unserer Fäuste und Degen machen!

Gleich nach dem Beenden dieser Zeilen werden wir uns zur Rettung des Armen aufmachen – hoffe ich…


Sprüche und Übersicht unserer Rollenspiel-Runden
Homepage Stefan Bohnsack, 2008