Neulich beim Rollenspiel

Wissenschaftliches Tagebuch von Aiden Cottlestone, 6. Quartus 1668

So viel ist passiert in den Tagen, seit ich das letzte Mal einen Bericht über die ungewöhnlichen Ereignisse, die sich gegenwärtig in meinem Leben abspielen, abgegeben habe. Zwischenzeitlich bin ich durch den Ozean, über Land und durch Höhlen gegangen - nur um mich jetzt erneut an Bord der Sérviante wiederzufinden und damit dem Ziel unserer Reise in den Süden ein gutes Stück näher.

Doch der Reihe nach. Wie beschrieben hatte ich uns in San Cristobal einen schönen, montaignischen Segler zur Überfahrt nach Reina del Mar ausgesucht. Mit diesem hatten wir uns weit aufs südliche Meer hinausgewagt, da der Kapitän große Sorge ob der trägen Natur seiner guten Dienerin bezüglich ihrer Leelastigkeit hatte. Ich sorgte mich dagegen eher angesichts der Nähe zu den Piratennestern, die sich in diesen Gewässern befinden. Je weiter wir uns von der Küste entfernten, desto leichtere Beute würden wir sein. Nun, meine Sorge war unbegründet, denn wir gerieten in einen heftigen Sturm, den jede halbwegs erfahrene Piratencrew besser im sicheren Hafen verbingt. Ich dagegen hielt mich an Deck auf, um die faszinierende Macht der Winde am eigenen Leibe genießen zu können.

Plötzlich sah ich zu meiner Linken eine Frau im Wasser treiben! Sie drohte, jeden Moment unterzugehen - so schien mir zumindest. Da die See Avalonier liebt, band ich mir flugs ein Tau um den Knöchel und stürzte mich todesmutig in die schäumende Gischt, der armen Seele zu Hilfe zu eilen. Doch was sah ich, kaum ins salzige Inferno eingedrungen? Sirenen! Ich schwörs, Sirenen! Ich habe eine Skizze angefertigt, die dieser Aufzeichnung beiliegt. Es waren Sirenen, die mich umgaben! Leider konnte ich sie nicht studieren, da diese fremden Wesen versuchten, mich in die Tiefe zu ziehen und - als sie sahen, dass ihnen dies nicht gelingen würde - mich mit ihren furchtbaren Zähnen zu zerfleischen. Mit knapper Not und der Hilfe der braven Jésus und Sebastien, die mich die Bordwand hinaufzogen, konnte ich dem tosenden Schlund entrinnen und mich - blutig und ermattet, zugleich jedoch erleuchtet und erregt - auf das Deck und später in meine Koje betten. Lydia sorgte sich rührend um mich, ebenso Jésus, sodass ich am Morgen des 5. Quartus von Deck aus unser Einlaufen in den montaignisch besetzten Hafen von Reina del Mar verfolgen konnte.

Unser Weg in dieser Stadt führte uns zu Don Alvaro de la Quadra, einem Bekannten von Jésus und Verbündeter unseres Gönners, des Comte de la Roque. Dieser sollte uns nähere Angaben zum Verbleib der Sérviante geben. Noch in der Stadt, genauer in einer verlassenen Gegend (wobei ein Großteil Reina de la Mars verlassen ist, eine trostlose Gegend!) wurde Gregor plötzlich ein Pfeil in den Rücken gejagt. Ein Pfeil! Fast wie bei der traditionellen Jagd, nur, dass Ussurer das ernst meinen. Es handelte sich tatsächlich um einen Anschlag, wie Gregor wutschnaubend und glaubhaft versichern konnte. Von der erfolglosen Suche der anderen nach dem Attentäter will ich nicht näher berichten. Vielleicht fällt aber dem aufmerksamen Leser auf, dass es sich nicht um die erste erfolglose Verfolgungsjagd der Herren Concordia y Rocco und Kladnov Igorov handelt.

Auf dem weiteren Weg zu Don Alvaro zeigte sich mir überdies Sébastiens hässliches wahres Gesicht! Eben jener, der wie ich geschworen hatte, Lydia nach all ihrem Leid sicher gen Montaigne zu leiten und allzeit zu beschützen trieb Schindluder mit ihr! Schalt sie, sich nicht so anzustellen! Und fragte höhnisch, warum sie denn nie ihr Lästermaul öffnen würde! Ich war bis dato nicht Jésus' Theorie, dernach Sébastien der Verräter unter uns sein sollte, gefolgt. Doch als er - nach einer verdienten Tracht Prügel von Gregor scheinbar beleidigt in die Gegenrichtung ritt und sich den Teufel um unseren Schwur scherte, wurde es mir klar, wie sehr man sich in Menschen täuschen konnte. Zwar ist er jetzt immernoch bei uns - die Umstände sollen hier unerwähnt bleiben - mein Vertrauen aber hat er verloren. Er wird sich nicht zwischen Lydia und die Musketierknechte des Empereurs stellen. Diese uns verfolgten uns, nachdem wir mit einem Boten, den uns Don Alvaro vermittelt hatte, auf langen Umwegen, durch steile Felsen und nasse Höhlen zum geheimen Versteck der Sérviante vorgedrungen waren. Woher sie unseren Weg kannten? Wieso sie gezielt nach "dem Mädchen" suchten? Warum Grégoire plötzlich wieder Milde walten liess, nachdem er zuvor mehr als Einen Unschuldigen erschlagen hatte? Ich weiß es nicht, aber meine Vermutungen stehen fest.

Nun sind wir wieder auf See und hoffentlich vorläufig in Sicherheit. Ich werde aber erst wieder ruhig schlafen können, wenn Lydia sicher beim Comte verweilt. Bis dahin sind meine Nächte unruhig und meine Tage angespannt. Zumindest aber scheinen wir jetzt dem Kästchen ganz nah zu sein. Ich hoffe, wir sehen nun alsbald Kapitänin Isabelle!


Sprüche und Übersicht unserer Rollenspiel-Runden
Homepage Stefan Bohnsack, 2008