Neulich beim Rollenspiel

Wissenschaftliches Tagebuch von Aiden Cottlestone, 25. Quartus bis 12. Quintus 1668

Ich verfasse diese Zeilen am Abend des 12. Quintus, im ehemaligen Pallas der Burg von Endlingen. Die Stadt liegt gänzlich öde und halbzerstört unter uns - dennoch bin ich froh, dass wir es zumindest bis hierher geschafft haben. Wir, dass sind neben meiner Wenigkeit Gregor, Grégoire, Jésus, Sébastien, Viktor Smolski sowie die Bediensteten Planchet und Bonpland, den ich zu Vermessungszwecken für diese Expedition angestellt habe. Wir sind mit fünf Maultieren, Winterkleidung, Grab- und Kletterzeug, Zelten und ausreichend Proviant ausgerüstet. Ich habe die Unkosten übernommen, da Gregor aufgrund eines Festes und seiner Folgen knapp bei Kasse ist.

Wir sind am 28. Quartus von Charouse aufgebrochen, haben uns zunächst in Südrichtung aufgemacht um uns am 3. Quintus in Manche gen Eisen einzuschiffen. Eisen, dieses nahe und doch so fremde Land. Gebeutelt vom Krieg des Kreuzes, reich an Geheimnissen und weit entfernt von seiner einstigen Größe. Nach drei Tagen auf dem großen Fluss erreichten wir am 6. Quintus Starkendorf. Bereits dort fällt die Not dem Reisenden aus Montaigne ins Auge: Dünn wird das Brot geschnitten, verdünnt der Wein - soweit überhaupt vorhanden - getrunken. Wir wurden noch im Hafen Zeugen eines schrecklich barbarischen Zweikampfes zweier schwergerüsteter, geradezu mittelalterlich anmutender Kombatanten. Reines Glück, dass der Unterlegene nicht in den braunen Fluten des Stroms elendig ersoff!

Am 7. Quintus ging es auf der Reichsstraße zwischen den Schwarzen Walden und den Weissbergen nordwärts gen Endlingen. Das Land wirkt ausgezehrt und öde, kaum eine Seele ist auf den Straßen unterwegs - alles atmet den Geruch von Tod. Wir trafen auf eine Gruppe Versehrter, die völlig regungslos hinnahmen, dass Jésus einen der ihren erschoss, stattdessen jedoch unsere Pferde wie wilde Tiere fressen wollten. Theus weiß, was diese armen Seelen erleben mussten! Am 9. Quintus übernachteten wir in einem namenlosen Dorf und trafen dort auf Viktor Smolski, einen Bekannten Gregors. Anstatt mit der erhofften ussurischen Söldnerbande zu reisen, war er allein unterwegs. Ich hoffe, dies wird uns nicht zum Nachteil gereichen. Andererseits kann keiner von uns einen Söldnertrupp dauerhaft unterhalten, von den Gefahren unserer Suche und den damit verbundenen Risiken einmal ganz abgesehen. Am Vormittag des heutigen Tages schließlich erreichten wir das verödete Endlingen, wie eine letzte menschliche Trutzburg vor der majestätische Kulisse des Drachenkopfes und der südlichen Weissbergen gesetzt. Die Stadt selbst wurde offensichtlich im Krieg erstürmt und geplündert, dennoch sind wir auf unserer Suche ein Stück weiter gekommen.

Bereits in Charouse habe ich herausgefunden, dass hinter dem Namen Bianco eine alte vodaccische Familie steht, die einen Teil des Lorenzo-Clans bildete, welcher sich wiederum vor Jahrhunderten gegen die vaticinische Kirche aufgelehnt hatte. Angeblich unter Benutzung legionischer Kräfte und grausamer Rituale. Nur mit der Hilfe des heiligen Rosa, also der mythischen Gestalt des Kreuzritters Andare del Casigula Rosa, der als weißer Ritter - von Theus selbst ausgesandt und mit Macht ausgestattet - mit scharfem Schwert durch die Reihen der Ketzer wandelte, konnte der Bedrohung Einhalt geboten werden. Rosa zerstreute die Familie Bianco in alle Himmelsrichtungen, die Linie gilt seitdem als erloschen. Wichtig ist es, an dieser Stelle zu erwähnen, dass die Rose und das Schwert seit jeher als Symbole des heiligen Rosa gelten - nomen est omen.

Hier in Endlingen scheint es nun, dass sich die Geschichte von Sperbers Tagebuch mit der rätselhaften Familie Bianco verbinden will. In der halb zerstörten Endlinger Kirche fanden wir eine Statue, die vermutlich Rosa zugezählt werden kann - zumindest stimmten die Symbole mit ihm überein. Einen Thron wie einst im Lockhornwald haben wir übrigens ebenfalls gefunden, er wurde allerdings unbrauchbar gemacht - mit blanker Gewalt. Wie ich es einschätze, wollte der eitle und gierige Sperber seine Spuren verwischen, um den Ruhm eventueller Entdeckungen für sich selbst einzuheimsen. Problematisch für uns ist es nun, dass wir nicht eindeutig den Weg hinauf zum Drachenkopf identifizieren können. Von einer bloßen Ahnung, worum es sich bei dem zweiten Hinweis handeln könnte, ganz abgesehen. Ich fürchte, im ewigen Schnee des Drachenkopfes werden die Probleme erst beginnen.

Zurück zur Sache! Die Zeichen des Heiligen Rosas, die Rose und das Schwert, fanden sich auch am tiefen Brunnen des Schlosses Endlingen, in welchem wir unser Lager aufgeschlagen haben. Nach intensiver Suche fanden wir einen Mechanismus, mit dessen Hilfe wir ein geheimes Fach öffnen konnten, in welchem sich aller Wahrscheinlichkeit nach vor Jahren ein Dracheneisen-Kompass befunden haben muss. Diesen allerdings hatte Mannhart Sperber mitgenommen, wie ich vermute. Was das zweite Symbol, ausgelöst hat, kann ich noch nicht sagen. Moment, was ist das für ein Geräusch...?


Sprüche und Übersicht unserer Rollenspiel-Runden
Homepage Stefan Bohnsack, 2008