Neulich beim Rollenspiel

Brief von Jésus an Félipe, 21. Tertius 1668

21. Tertius 1668

Mein lieber Félipe,

was würde ich Dir nicht alles schreiben. Mehr jedenfalls, als ich ein paar flüchtigen Zeilen anvertrauen will. In den fast drei Monaten, die es her ist, dass ich Don Alvaro mit einem Brief an einen gewissen Comte de la Rouqe aus Charouse verließ, ist mehr geschehen, als ich über die zehn Jahre davor zu erzählen gehabt hätte.

Ich bin seit ein paar Wochen wieder in Castille, zur Zeit in der Vaticinischen Stadt. Weil ich es eilig habe, würde ich wohl den Teil überspringen, in dem zu sagen wäre, wie ich hier hin gekommen bin. Auch meine Erlebnisse aus Montaige würde ich überspringen und von den Intrigen am Hof ihres Königs, ihren irren Admirälen und der ganzen Hexerei würde ich dir sicher gar nicht erzählen wollen - ganz zu schweigen von dem Zustand der Kirchen in diesem Land. Aber ich würde dir von meiner abenteuerlichen Reise durch den Lockhornwald zumindest eine Andeutung machen, nicht ohne das Versprechen, deiner Familie und Dir das ganze ausführlichst zu erzählen, wenn ich wieder einmal Gast in deinem schönen Hause sein kann.

Ich würde auch den Teil mit der Inquisition groszügig aussparen und Dir höchstens unter vier Augen davon erzählen. Oder nur sagen, dass ich dann verfolgt wurde und durch die Hilfe von neuen, sehr guten Freunden und des alten Don Aldana wohlauf und entkommen bin. Aber dass das seinen Preis hat und ich daher an den Hof des Guten Königs geladen wurde, um für seinen Sohn etwas zu tun.

Wie dem auch sei, nun würde ich ausführlicher erklären, als ich es tun konnte, warum ich die Hilfe von Bartholomé brauche. Ich bin mit meinen neuen ausländischen Freunden hier, niemand ausser den beiden Aldanas weiß, wer wir sind oder warum wir uns hier aufhalten, aber es fragt auch niemand, denn der Hof ist ziemlich voll von Leuten, die hier niemand kennt. Nun halte dich fest. Jemand will möglicherweise den König umbringen und wir sollen herausfinden, wer es ist.

Wie ich so herumschlich, konnte ich gestern Nacht zwei zwielichtige Personen belauschen. "Bald werden wir durch Theus Gnade von den Zweiflern befreit sein!" sagte der eine. Da wurde etwas wach in mir. Ersetze die Zweifler in diesem Satz mit Ratten, die an den Planken von Theus Schifflein nagen, sagte ich mir. Und stellte fest, derlei Sätze schonmal gehört zu haben. Ich folgte dem einen aus der Stadt heraus und verlor ihn dann bei einem Wirtshaus, dem Goldenen Karpfen (eine nette Stube übrigens), erkundigte mich beim Wirt nach neuen Gästen und suchte mir einen heraus, der der Mann hätte sein können, den ich belauscht hatte. War er aber wohl nicht. Den ganzen nächsten Tag verfolgte ich ihn, aber er tat nur langweilige Sachen.

Zurück im Palast sprach ich mit meinen Freunden. Wir arbeiten so gut zusammen, wie noch nie: Grégoire hat sich bei den Dienern des Königs eingeschlichen, Gregor bewegt sich unter den Adligen wie ein Fisch im Wasser - womit ich meine wie ein Hecht im Karpfenteich und Aiden behält die Übersicht über das, was wir so erfahren. So hatten wir schnell ein paar Unzufriedene ausgemacht, die als Handlanger von Verschwörern in Frage kommen. Mit der unfreiwilligen Hilfe der Inquisition haben wir die wohl gehörig verschreckt. Doch der entscheidende Hinweis für mich war die Erinnerung an einen Namen, dem ich hier wieder begegnet bin. De Alcántaraz.

Ein gewisser Don Godotfredo dieses Namens ist seit Neuestem ein besonderer Günstling des Königs, das Consilio hat ihn an den Hof gebracht. Interessanter Weise hat der wiederrum den ersten Diener des Königs zu seiner Position verholfen. Dieser Diener, Prospero Lerida, entpuppte sich als Verschwörer und ist leider jetzt tot. Er hatte die Angewohnheit, Nachts in einer Uniform des königlichen Regiments herumzuschleichen und Degen und Pistole unter seiner Matraze zu verstecken. Ich glaube auch, dass er es war, den ich in der Nacht zuvor mit einem Anderen belauscht habe, denn in seiner Uniformjacke fand sich ein Zettel mit dem Namen des Wirtshauses - Der Goldene Karpfen - zu dem ich ja den einen der beiden verfolgt hatte.

Als Grégoire ihn darauf ansprach, er habe im Garten Leute in Verstecken gesehen (tatsächlich waren es wir gewesen, die an einem vermuteten Treffpunkt der Verschwörer auf der Lauer lagen, aber leider enddeckt worden waren, sodass sich niemand zeigte) wollte Prospero ihn umbringen. Leider hat Grégoire dann umgekehrt ihm dieses Schicksal zuteil werden lassen müssen.

Zurück also zu Don Godotfredo, an dessen Familiennamen ich mich erinnere: Ein Don de Alcántaraz, ich weiß nur leider nicht welcher, war vor Jahren einmal sehr großzügig zu einer Sache, die sich selbst Heilig war. Sollte mehr dahinter stecken, dann könnten gemeinsame Bekannte von uns in Probleme geraten. Darum brauche ich Bartholomés Hilfe. Nicht nur das Leben des Königs könnte davon abhängen.


Sprüche und Übersicht unserer Rollenspiel-Runden
Homepage Stefan Bohnsack, 2008