Neulich beim Rollenspiel

Brief von Jésus an Batolomé, 30. Tertius 1668

30. Tertius 1668

Mein lieber Bartholomé.

Gutes zu tun ist leider viel schwieriger als sich für das Gute zu entscheiden. Heute hätte ich beinahe einen Mann aufgespießt, der nur seine Pflicht getan hat. Wie Félipe Dir sicher berichtet hat, habe ich in den letzten zehn Jahren den Degen doch nicht an die Wand gehängt - ja, Du hast recht, ich kann eben nichts anderes. Weil er aber Heute dazu dient, Menschenleben zu beschützen, kam es mir nur natürlich vor, dazu bestimmt zu sein, das Leben des Königs zu retten.

Zugegeben, ein ziemlich alberner Gedanke, wo doch jeder weiß: Dafür haben wir ja El Vago! Ich will natürlich immernoch alles wissen, was Du über die Alcantáras-Familie, vor allem über Godofredo, weißt, aber es eilt nicht mehr. Das macht natürlich keinen Unterschied, weil du diesen Brief sowieso nicht bekommst und weil Du von vornherein nicht wußtest dass es Eilig ist, weil ich es Dir ja nicht sagen konnte.

Egal jetzt. Wir haben eine montaignische Prinzessin dabei, Lydia, von der niemand ahnt, dass sie eine Prinzessin ist - bis auf uns und Dona Aldana, die Prinzessin, also die Schwester oder Halbschwester von Lydia oder was - und die wir dringend wohlbehalten zu unserem Freund, dem Comte de la Roque, der eigentlich fast gar kein heidnischer Ketzer ist (aber egal jetzt), bringen müssen. Nur dass ich das bis gestern alles so nicht wußte. Es ist nämlich so, dass wir bis gestern nur Lydia zu der Prinzessin gesagt haben, weil wir gedacht haben: Vielleicht ist sie eine Prinzessin.

Lydia spricht nämlich nicht und vertraut nur mir und Aiden, obwohl Aiden sie mehr und mehr auf seine Seite zieht, weil er so eifersüchtig und überheblich ist, so dass Lydia mich kaum mehr ansieht, obwohl ich doch viel mehr als Aiden sie vor den üblen Nachstellungen böser, unkeuscher Männer beschützen kann als er! Aiden wußte natürlich bescheid, denn die Dona, also Don Andres Mutter, hat ihn das alles versprechen lassen. Aber in seiner ständigen Geheimniskrämerei hat er uns nichts gesagt. Dabei weiß doch jedes Kind, dass man seine Reisegefährten über seine Versprechenspflichten aufklärt, wenn es sie betreffen könnte! Und wann redet er endlich? Wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist! Zum Glück habe ich es wieder herausgefischt und zwar lebendig. Eigentlich ist Aiden Schuld daran, dass ich diesen montaignischen Soldaten beinahe umgebracht hätte.

Also was ist passiert? Wir waren gerade in San Cristobal angekommen und suchten ein Schiff nach Reina del Mar. Danach gingen die anderen Saufen, Streit suchen und hätten - werweiß - mit Lydia auch noch ein Hurenhaus besucht! (Übrigens habe ich letztens gehört, dass es eine Dona gibt, die in der Vaticinischen Stadt regelmäßig zu den Huren geht, kannst Du Dir das vorstellen? Eine Frau, wirklich!)

Also Aiden hatte gerade grundlos in einem Gasthaus eine Schlägerei angefangen und Gregor und Grégoire und vielleicht auch Sébastien taten ihr bestes, ihn da wieder raus zu holen. An Lydia haben diese Säufer natürlich alle nicht gedacht. Zum Glück hatte ich mir etwas in der Art schon gedacht, so dass ich gerade rechtzeitig erschien, als es ernst wurde. Plötzlich waren nämlich Männer mit gezückten Dolchen und Degen aufgetaucht, die versuchten, Lydia zu entführen. Ich muss Aiden wenigstens zugute halten, dass er dann wenigstens beherzt gekämpft hat, trotz seines Suffkopfes. Unbarmherzig stachen die anderen unsere Gegner nieder und es gelang mir nur bei einem einzigen, sein Leben zu retten.

Dieser erzählte uns später, er gehöre zu einer Kompanie montaignischer Soldaten vor El Morro. Wir seien ihnen beschrieben worden. Vor fünf Tagen habe man sie losgeschickt, um "das Mädchen" zu holen, also Lydia. Uns fielen nur drei Möglichkeiten ein, wie jemand montaignische Soldaten informiert haben könnte: Entweder Dona Aldana hat es getan, aber das erscheint abwegig, da sie ja Aiden und Sébastien erst das Versprechen abgenommen hat, sie zum Comte de la Roque zu bringen (ein Umstand, den Aiden uns an dieser Stelle der Überlegungen gnädiger Weise einmal mitteilte). Oder es war die Inquisition, falls sie es überhaupt wußte, aber es wäre abwegig, dass sie es den 'Soldaten Legions' gesagt hätten, nicht wahr? Übrig bleibt der Verdacht gegen den Mitreisenden, der erst seit Rancho Aldana mit dabei ist. Sébastien hat wie Aiden alles gewußt und wir wissen nicht wirklich viel über ihn. Natürlich darf jetzt der Verdacht nicht alle Kameradschaft zerstören, dass brauchst Du mir nicht zu sagen. Aber die Anderen haben keine Erfahrungen mit solchen Sachen. Und Du weißt, wie schwer es wird, wenn man täglich jemandem sein Leben anvertrauen muss, der ein Spitzel sein könnte.


Sprüche und Übersicht unserer Rollenspiel-Runden
Homepage Stefan Bohnsack, 2008